Geschichte des Krav Maga
Krav Maga ist hebräisch für Kontaktkampf und wird hauptsächlich mit Imrich „Imi“ Lichtenfeld (1910-1998) in Verbindung gebracht. Lichtenfeld, der als Sohn einer jüdischen Familie in Budapest geboren wurde und in seiner Jugendzeit Amateurboxer und Wrestler war, wuchs in Bratislava auf und erhielt Unterricht von seinem Vater, der als Chief Inspector und Selbstverteidigungs-Instructor bei der Polizei von Bratislava arbeitete. In den 1930er Jahren wurde die politische Situation für Juden in der Tschechoslowakei durch die zunehmenden antisemitischen Strömungen aus Deutschland schwieriger und es kam zu Straßenschlachten zwischen Nazisympathisanten und Juden. Lichtenfeld war in diese Konflikte verwickelt und gab anderen Juden Unterricht, um sich darauf vorzubereiten. Während dieser Straßenschlachten in Bratislava machte Lichtenfeld einschneidende Erfahrungen, die seine sportliche Ausbildung nicht abdeckten, aber er gelang es, sich an diese Herausforderungen anzupassen und zu überleben. 1942 ging Lichtenfeld nach Palästina, das seit dem 1. Weltkrieg von der League of Nations verwaltet wurde und wo es zu Aufständen der ansässigen Araber kam. Diese Aufstände waren darauf zurückzuführen, dass den Arabern keine Unabhängigkeit gewährt wurde, obwohl dies zuvor versprochen worden war. Inmitten dieser Unruhen wurden Juden, die in Palästina lebten oder dorthin gezogen waren, zunehmend zu Opfern von Angriffen und Unruhen, wodurch sich innerhalb der jüdischen Gemeinde paramilitärische Verteidigungsgruppen bildeten, von denen die größte unter dem Namen Hagana (Verteidigung) firmierte.
Hagana war in erster Linie illegal und rein zivil, aber ab Mai 1941 wurden paramilitärische, jüdische Streitkräfte von den Briten unter dem Namen Palmach ausgebildet. Dies war auf die sich 1940/41 abzeichnende Kriegsgefahr mit Syrien und Libanon zurückzuführen, aber als sich die Lage im November 1941 beruhigte, sollte Palmach aufgelöst werden. Stattdessen ging die Bewegung in den Untergrund und der Name „Kapap“ (Akronym für Kampf von Angesicht zu Angesicht) etablierte sich. Lichtenfeld wurde in Palästina zum Palmach- oder Kapap-Instruktor und arbeitete nach der Gründung des Staates Israel als Nahkampfinstruktor für die Israeli Defense Force (IDF), die 1948 im Zuge der israelischen Unabhängigkeitsbemühungen gegründet wurde. Der erste Leiter des körperlichen Trainings der IDF, Moshe Pinkel Zohar, und sein Stellvertreter Amos Golani, brachten im November 1949 den Begriff Krav Maga für den praktizierten Nahkampf ein. Die Gestaltung des Krav Maga wurde maßgeblich von den in den frühen 1950er Jahren gegründeten Kommandoeinheiten mit ihren operativen Anforderungen beeinflusst. Lichtenfeld selbst war der Nahkampfinstruktor der Unit 101 und hatte in seinem Leben einen weitreichenden Einfluss auf diverse Veränderungen und Weiterentwicklungen des Krav Maga, wie zum Beispiel im zivilen Bereich in den 1960er Jahren. Die Grundlage für das zivile Krav Maga wurde, wie das militärische, von Lichtenfelds Lebenserfahrungen geprägt und folgte in erster Linie den Kriterien der Effektivität und der schnellen, von Körperstatur und Größe unabhängigen Erlernbarkeit. Im Laufe der Geschichte führte Lichtenfeld 1968 im zivilen Bereich Gürtel und sicheres Kontaktsparring ein und in den 1980er Jahren fand Krav Maga Einzug in Schulen. In dieser Zeit begann die Ausweitung von Krav Maga in den außerisraelischen Raum, indem zum Beispiel Schüler Lichtenfelds Organisationen gründeten. Seit Lichtenfelds Tod im Jahr 1998 wird Krav Maga als „Markenname“ gehandelt, der mit Legitimations- und Nutzungsstreitigkeiten verbunden ist und sich weiter ausdifferenzierenden Verbandsgründungen und Abgrenzungen.
Inhaltliches
Inhaltlich lässt sich ziviles und militärisches Krav Maga wie folgt unterscheiden: „Im Grunde genommen werden einem Fallschirmspringer oder einem Mitglied einer Anti-Terror Einheit beigebracht, den Feind anzugreifen und zu zerstören, während ein Zivilist beigebracht wird, sich zu verteidigen und zu entkommen“ (Gross, 2010: 585). Wie bereits erwähnt, war das Krav Maga bei Lichtenfeld sehr einfach und wurde später, insbesondere im zivilen Bereich, um Trainingsstufen, Rangsysteme usw. erweitert. Der Auf- und Ausbau von „mentaler Bereitschaft“ (Gross, 2010: 586) oder der Fähigkeit, „mögliche Gefahrensituationen zu erkennen“ (Tausk, 2001: 311), bleibt weiterhin von Bedeutung und kann anhand konkreter Vorfälle und Deeskalationsmöglichkeiten sukzessive erarbeitet werden. Ein möglicher Ablauf wäre eine Simulation, bei der alle Beteiligten den konkreten Übungsablauf kennen, bis hin zu einem Szenario, bei dem einzelnen Teilnehmern nur Bruchstücke bekannt sind und andere Teilnehmer vollständig informiert sind, was Überraschungsmomente beinhaltet. Dabei können mehrere Angreifer oder auch Waffen vorkommen. Ein weiterer Realitätsbezug kann durch die Zielgruppenspezifität und die Berücksichtigung der Individuen und ihrer konkreten Verfassung hergestellt werden. So lernen beispielsweise Frauen in einer „overpower“-Situation tätig zu werden oder Senioren trainieren die Verteidigung mit Haushaltsgegenständen. Methodisch wird die psychophysische Gesamtfitness mit einbezogen, wenn diese dem (längeren) Durchhalten in Verteidigungssituationen dient. Technische Strukturen umfassen Grundlagen der Positionierung, Distanz, des Fallens sowie Tritt- und Schlagbewegungen in Richtung empfindlicher Ziele wie Augen, Knie und Unterleib. Ebenfalls enthalten sind Grundlagen der Befreiung aus Griff- und Bodenlagen bis hin zum Waffentraining (vgl. insgesamt zu inhaltlichen Aspekten: Gross, 2010: 586f.; Tausk, 2001: 310ff.). Gross (2010: 587) erwähnt weitere Prinzipien: aggressive Vorgehensweisen, um die Vorteile des Angreifers zu unterbinden, Zentrallinienarbeit, das Konzept des 360 als Ableitungsbewegung und die Einfachheit der eingesetzten Techniken, für die nach Tausk (2001: 312) gilt: „Das einzige Kriterium für die Aufnahme in die Kunst ist die Nützlichkeit für das Überleben“.
ICCS ist aufgrund dessen die logische Weiterentwicklung des Krav Maga. Falls Du wissen möchtest, was ICCS Krav Maga ausmacht, dann klicke hier.
Literatur
Gross, N. (2010): Kapap and Krav Maga.
In: Green, T.A. & Svinth, J.R. (Editors): Martial Arts of the World. An Encyclopedia of History and Innovation. Santa Barbara: ABC-Clio, 2. Volumes, Volume 2: Themes, pp. 583-588.
Tausk, G. (2001): Krav Maga.
In: Green, T.A. (Editor): Martial Arts of the World. An Encyclopedia. Santa Barbara: ABC-Clio, 2 Volu mes, Volume 1: A-Q, pp. 306-313.